Fakarava

Um viertel nach drei Uhr wecken wir uns. Kurz vor vier Uhr ziehen Sophia und ich den Anker hoch. Alles läuft zum Glück rund. Gemeinsam mit SV Sylvia segeln wir in der Dunkelheit in Richtung des Passes, wo wir im perfekten Moment der Strömung im Morgengrauen aus dem Pass heraus fahren.

Mit 17-25 kn Wind in sehr angenehmen Raumwindkurs, mit dem Wind im Rücken, schieben uns recht grosse Wellen in einer Tagespassage in Richtung Fakarava Südpass. Da der Wind stark bläst, müssen wir die letzten zwei Stunden die Segel reffen, um an Fahrt zu verlieren, da wir sonst viel zu früh beim Pass ankommen würden. Es wäre sehr mühsam dort vor dem Pass auf und ab zu fahren und gegen den Wind anzukämpfen. Das Ankern erweist sich als anspruchsvoll, da es viele Korallenstöcke hat und der Wind recht stark bläst.

Am 4. April 2024 segeln wir 5 Stunden weiter im Atoll nach Fakarava Nord. 

Im kleinen Dorf Rotoava essen wir in der Havaiki Lodge zu Abend. Das Restaurant wird am nächsten Tag schliessen, da es nicht mehr genügend Vorräte hat. Die Läden haben überhaupt keine Frischwaren mehr. Das nächste Versorgungsschiff kommt erst am Donnerstag 18. April in Fakarava an. Auch Benzin und Diesel gibt es nicht mehr. Eier gibt es auch keine mehr, da die Hühner in Papeete krank sind. Man kann sich auf eine Liste setzen lassen und erhält in zwei Tagen, wenn man Glück hat, ein paar Eier von den Hühnern aus Fakarava. Ich finde es sehr spannend als Lebensschule am eigenen Leibe zu erfahren, was Versorgung bedeutet. Sophia und Ronja sprechen oft davon, dass sie sich zu Hause in Zermatt nie mehr darüber beklagen werden, falls einmal grad etwas zu Hause fehlt, was sie grad gerne haben möchten. „Ich würde einfach auf mein Fahrrad sitzen und es einkaufen gehen!“, meinen sie.

Not macht erfinderisch. Wir kreieren spannende Menues aus unseren Vorräten, backen Brot, stellen Joghurt her. Wir haben mindestens noch für einen Monat essen an Bord und ich vermisse auch kaum etwas. Eier fehlen mir fast am meisten, sie sind so vielfältig nützlich beim Kochen.

Eigentlich wollte Ronja hier bei der Tauchschule Top Dive Fakarava ihr Geburtstagsgeschenk einlösen und gemeinsam mit den Kindern Lauren und Liam von SV Sylvia ihr Open water junior Tauchbrevet machen, Doch da ein Lehrer gekündigt hat und ein anderer schwer erkrankt ist, haben sie zu wenig Lehrer. 

Als ich am Freitag 5. April einkaufen gehe und bei schönstem Sonnenuntergang zurück komme, empfängt mich Ronja bereits und hilft mir das Dinghy am Schiff festzumachen. „Wasser spritzt aus dem Wasserhahnschlauch im Badezimmer!“ Auch das noch. Adis Telefon ist defekt, möglicherweise hat ihm die Feuchtigkeit oder das Salzwasser zugesetzt. Das Starlink benötigt zu viel Strom, mehr als unsere Solarpanels und der Windgenerator generieren können. Daher müssen wir oft noch den Motor laufen lassen, um die Batterien zu laden. Der Wassermacher frisst enorm viel Strom und es dauert eine Ewigkeit bis unsere Tanks annähernd gefüllt sind. 

Und nun noch der defekte Wasserschlauch. Das bringt die Stimmung an Bord auf den Nullpunkt. In solchen Momenten ist es sehr anstrengend, auf so engem Raum miteinander zu leben. Wir alle sind gefordert. Die Situation erfordert, dass man Auseinandersetzungen ausdiskutieren muss - respektive darf. Da das Schiff sehr klein ist, geraten wir uns im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder in die Quere. Dazu ist das Wetter etwas garstig. Es regnet immer wieder und oft weht ein starker Wind. 

Adi überlegte sich kurz ob er für einen Kongress 2 Wochen wegfliegen könnte. Ronja fühlt sich nicht wohl beim Gedanken, dass sich bei starkem Sturm unser Anker lösen könnte und wir unter schwierigen Bedingungen neu ankern müssten. Je nach Windrichtung und damit zusammenhängendem Wellengang müssten wir uns auch im Atoll verschieben können. Das Schiff ohne Adi von Fakarava Nord nach Fakarava Süd zu navigieren wäre wegen der Ankermanöver schwierig für mich zu meistern. Immer noch verstehe ich von Vielem auf dem Schiff zu wenig. Ankerketten welche sich um Korallenstöcke schlingen machen mich nervös. Ronja und Sophia helfen immer mit aber ohne Adi wären wir sicher sehr viel weniger mobil und auf Unterstützung von anderen Seglern angwiesen. Ein Schiff gibt sehr viel Arbeit. Fast alle mit denen ich rede, haben fast jeden Tag irgend etwas, das zu reparieren ist oder das zu unterhalten ist, damit es nicht repariert werden muss. 

Am nächsten Morgen mache ich mich mit Ronja früh auf den Weg ins Dorf. Heute wollen wir zurück zum Pass im Süden segeln. Adi bekommt die Gelegenheit mit Jan von SV Sylvia in der berühmten „wall of shark“ ein paar Tauchgänge zu machen. Er freut sich sehr darauf, diese Tauchgänge in einem der berühmtesten Tauchspots der Welt zu geniessen und fährt zu Ronjas Erleichterung doch nicht weg. Unsere Freunde SV Delos und SV We Sail sind ebenfalls unterwegs nach Fakarava. Eigentlich hatten sie vor, direkt zum Nordpass zu segeln, da aber weder das Restaurant offen hat noch frische Ware vorhanden ist, steuern sie den Südpass an. 

Wir kaufen Mineralwasser für unseren Grabbag, Pestosauce, Chips, Crackers, haltbaren Käse, Butter, Honig, WC Papier, Haushaltpapier. Mehl ohne integrierte Hefe kann man nicht mehr kaufen. Auch die Tiefkühltruhen sind zur Hälfte leer. Die Auswahl an frischem Obst und Gemüse beschränkt sich auf 10 braune Bananen und eine zerquetschte Orange. In einem anderen Laden hat es noch ein paar Zwiebeln. Wir haben immer noch sehr viele Vorräte aus Hiva Oa und Makemo, wenn auch überhaupt keine Frischprodukte mehr und können problemlos so heute zum Südpass segeln. Was wir aber dringend noch finden müssen ist ein neuer Wasserhahn. Ich bin einmal mehr sehr dankbar, dass ich gut Französisch spreche und mich gut verständigen kann. In der Boulangerie, dem letzten der drei kleinen Läden, fragen wir ebenfalls nach einem Wasserhahn. Und tatsächlich, der Mann steuert zielstrebig auf ein Regal in einem Nebenteil der Boulangerie und zieht von einem chaotischen Tablar zwei verstaubte unscheinbare weisse Schachteln hervor. „Hier, diese zwei Wasserhähnen habe ich“, meint er freudig. Und wir trauen unseren Augen kaum. „Der sieht ja genauso aus wie unserer!“, freut sich Ronja. Wir bringen unsere Beute schnellstmöglich zurück aufs Schiff. Adi wäre eigentlich sehr fest dankbar, wenn er sich nicht darum kümmern müsste, den Hahnen und den Schlauch zu wechseln. Doch mein technisches Verständnis und mein handwerkliches Geschick in diesen sehr engen Verhältnissen halten sich leider in Grenzen und so können Ronja und ich Adi einfach assistieren aber Adi muss trotzdem den Lead übernehmen. Zum Glück gelingt es uns relativ schnell, den Hahnen mit den neuen Schläuchen zu montieren. 

Wir machen uns bereit zum Anker lichten. Der Anker kommt nicht hoch. Er hängt fest. Der Wind pfeift. „Leg den Snubbber an die Kette!“, ruft Adi. Immer im Leben ist Kommunikation sehr wichtig, auf einem Segelschiff ist sie essentiell. Der Wind verschluckt das Gesprochenen auf dem Weg von mir bei der Ankerwinde bis zu Adi ins Cockpit oder zurück. Oft stehen Sophia und Ronja als „Relaisstationen“, um das Gesprochene weiter zu vermitteln. Ansonsten kann es passieren, dass es Missverständnisse gibt und es dann hektisch und laut werden kann. 

Nachdem ich den Snubber an die Kette gelegt habe, um die Kette vom Druck zu entlasten, tauche ich mit Taucherbrille möglichst weit hinunter Richtung Anker, um zu erkennen, um welchen Korallenstock sich die Kette in welcher Richtung verfangen hat. Als ich zurück an Bord bin, steuert Adi unser Schiff gewandt in die richtige Richtung, um den Anker hochziehen zu können. Eine Stunde später als vorgesehen segeln wir Richtung Südpass los.

Martina Greiner 

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